Bestensee im Blick
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13.10.:
Herbstwanderung zur Pätzer Kiesgrube
Seit ca. einem viertel Jahrhundert veranstalten der Heimat-
und Kulturverein bzw. engagierte Mitbürger die traditionellen Frühlings- und
Herbstwanderungen durch den Ort, mit denen den Menschen hauptsächlich unsere
schöne Natur näher gebracht werden soll.
Aber die heutige Wanderung war etwas Besonderes. Vor ca. 3 Monaten kamen Herr
Deichmann und ich auf das Thema Pätzer Kiesgrube zu sprechen und wir waren uns
einig, dass die illegale Befahrung mit Crossmaschinen und Quads im
Naturschutzgebiet Pätzer Kiesgrube nicht so weiter gehen kann. Offizielle
NSG-Schilder wurden samt Pfahl aus der Erde entfernt oder Hinweisschilder
abgerissen.
Spontan legte ich die Wanderroute für die Herbstwanderung in
die Grube fest und Herr Deichmann holte den hiesigen Chef des NABU Dahmeland,
Herrn Rackwitz, mit "ins Boot". Er kontaktierte andere
Naturschutzgruppen, um gemeinsam die Öffentlichkeit für das Problem des NSG zu
sensibilisieren und eine Lösung gegen die Befahrungen zu finden. Naturschutzgebiete
sind die letzten Rückzugsgebiete, in denen seltene Tier- und Pflanzenarten noch
ihre Ruhe finden. Schön wäre, wenn es so etwas auch für Menschen gäbe, wenn ich
an die vielen Kriegsschauplätze auf der Erde denke.
Aber zunächst versammelten sich die diesmal sehr zahlreich erschienenen
Wanderfreunde am Bahnhofsvorplatz. Der Männergesangverein stimmte uns mit
fröhlichen Liedern auf die Wanderung ein, und ein Ständchen gab es für den
Bürgermeister, der heute Geburtstag hatte. Er bedankte sich und wünschte uns
eine gute Wanderung. Auch Anja Kolbatz-Thiel begrüßte im Namen des Heimat- und
Kulturvereins die Anwesenden und ich gab eine kurze Info zur Wanderroute.
Dann ging es los. Über die Bahnschranke, entlang der Goethestraße, vorbei an
der Grundschule und Landkost-Arena, die am Abend zuvor zum
Volleyball-Bundesligaspiel der Netzhoppers noch mit 1.000 Besuchern ausverkauft
war. Am Forsthaus, unserem zweitältesten Gebäude, das 1775 erstmals erwähnt
wurde, gab es einen kurzen Halt. Farbenprächtig ging es durch die herbstliche
Natur entlang des Pätzer Vordersees bis zum Pätzer Badestrand weiter.
Von hier nahmen wir die restlichen Kilometer zunächst entlang der Groß Köriser
Straße in Angriff, bogen dann Richtung Erdgastrasse ab, die im Sommer verlegt
wurde, eine zweite liegt mit den riesigen Rohren schon bereit.
Schließlich erreichten wir nach einer kurzen Waldwanderung und einem kleinen
Aufstieg die Oberkante der Kiesgrube. Der Blick über die Grube und die Wälder
bis zur Halle von Tropical Islands ist immer wieder ein Erlebnis und ließ uns
kurz innehalten.
Hier gab ich ein paar Informationen zur Geschichte der Kiesgrube, deren Abbau
1917/18 begann. Bis dahin war es mit 78 m die höchste Erhebung von Pätz, jetzt
ist es mit 77 m der in der Nähe gelegene "Kahlkopf". Früher war er
wirklich kahl, wie Berichte und Fotos von 1925 und 1928 beweisen, ist jetzt
aber dicht bewachsen.
Unterbrochen wurde die Kiesförderung zur Zeit der Inflation, wurde zu Beginn der
Nazi-Zeit wieder aufgenommen und endete vorerst mit dem 2. Weltkrieg. Viel Sand
und Kies wurde für den Autobahnbau zur Kriegsvorbereitung benötigt.
Der Abtransport erfolgte mit einer 900 mm-Lorenbahn über die jetzige B 179 bis
zum Aufbereitungsgelände am Hölzernen See. Hier befand sich eine Kieswasch- und
Siebanlage für verschiedene Korngrößen. Verschifft wurde das Material mit 2
Lastkähnen nach Königs Wusterhausen und zum Osthafen. Für den Transport von der
Kiesgrube bis zum Hölzernen See standen auf einer Gleislänge von 4 km 3
Lokomotiven mit jeweils 100 PS und 40 Kastenkipper a 6 m³ zur Verfügung. Um die
beiden Lastkähne nicht leer von Berlin bis zur Kiesgrube fahren zu lassen,
wurden sie mit Bauschutt gefüllt, der in der Nähe der Kiesgrube abgeladen
wurde.
In einem Dokument aus dem Jahre 1971 wurde die Perspektivplanung bis 1980
festgelegt. 250.000 t Kies waren pro Jahr für den Export vorgesehen, aber
wesentlich weniger für den Binnenmarkt. Bis dahin wurden 9 ha ausgebeutet, bis
1980 waren weitere 5 ha vorgesehen.
Von einem ehemaligen Arbeiter konnte ich zahlreiche Fotos aus den 1960er bis
80er Jahren kopieren, die die schwere Arbeit in der Grube dokumentieren,
besonders wenn es regnete und während der Wintermonate.
Bis nach 2000 wurde noch abgebaggert, wie ein Video belegt. Danach waren nur
noch spontane Aktivitäten zu verzeichnen.
Aber zurück zur Gegenwart. Nach dem Abstieg vom Nordhang erwartete uns schon
das Picknick-Team vom Heimat- und Kulturverein mit Anja, Peter, Katrin und
Tino. Alles war bestens vorbereitet, Tische und Bänke standen bereit, die
Würste lagen zum Verzehr bereit, selbst gebackener Kuchen war ausreichend
vorhanden und Getränke aller Art gab es gegen den Durst, auch Kaffee. Vielen
Dank, dass sich alle erholen konnten, und lecker war es auch.
Noch während des Picknicks gab es ein Highlight zu sehen. Unser Falkner Jörg
Reckling zeigte Trainingsmethoden mit seinem Falken. Dazu ließ er zunächst eine
Drohne mit einem daran befestigtem Leckerli steigen. Als der Falke das Leckerli
entdeckte, schraubte er sich nach "Ehrenrunden" langsam in die Höhe,
ergriff schließlich die Beute, über der ein Fallschirm hing und sich von der
Drohne löste. Fallschirm, Falke und Leckerli schwebten zur Erde, landeten durch
den Wind allerdings zwischen kleinen Kiefern am Hang. Das war aber kein
größeres Problem, unser Falkner "sammelte" alles ein und zeigte die
nächste Trainingsmethode mit einem Federspiel. Hier hing diesmal die Beute an
einem Seil, das Herr Reckling vor dem Falken schnell weg drehte, so dass der
Falke ins Leere flog und immer wieder erfolglose Versuche startete.
Seit den 1980er Jahren kümmerten sich Naturfreunde wie Dr. Gisela Decker, Prof.
Kirsche, Karl-Heinz Wollenberg, Wolfgang Klaeber, Hans Sonnenberg u.a. um die
ruhenden Flächen. Viele seltene Pflanzen und Tiere wurden entdeckt. So wurde
2002 ein Teil der Kiesgrube zum Naturschutzgebiet erklärt. Ein nachfolgendes
Foto zeigt die relativ genauen Grenzen des Naturschutzgebietes.
1983 begannen sich z.B. Uferschwalben anzusiedeln, der Sandthymian war weit
verbreitet, aber durch die zunehmende Befahrung durch Cross-Motorsportler im
NSG wurden die Uferschwalben letztmalig 2008 gesichtet. Auch der Sandthymian
existiert nur noch auf kleineren Flächen.
Weil die Befahrung in letzter Zeit stark zugenommen hat (Herr Rackwitz hatte am
3.10. ca. 50 Fahrzeuge gezählt), versuchen wir mit Hilfe mehrerer Umweltvereine
wie z.B. NABU mit Matthias Rackwitz, probiotope mit Andreas Denys,
Naturschutzgrupe Pätz mit Klaus Schneider und Frank Bretschneider u.a. eine
Eindämmung der Fahrten und eine Sensibilisierung für dieses Thema zu erreichen.
Weil Schilder offenbar keine Wirkung zeigen, sind häufigere Kontrollen angedacht.
Unser Dank gilt den Vertretern der Vereine, die uns einen Überblick über ihre
Aktivitäten in der Grube verschafften, besonders Frau Dr. Decker, die trotz
ihres hohen Alters immer noch aktiv ist.
Durch eine Führung von Andreas Denys zu einem 2015 angelegten kleinen Teich
hatten wir auch die Möglichkeit, das Domizil der seltenen Kreuzkröten zu
besichtigen.
Dann ging es wieder zum Ausgangspunkt der Wanderung zurück. Vielen Dank an alle
Wanderfreunde, die an dieser nicht einfachen Tour tapfer durchgehalten haben.
Eine Dame hatte sogar die 80 überschritten. Ein Problem gab es bei einem
Wanderfreund, dessen Schuhsohle eigene Wege gehen wollte. Einige liefen auch
parallel zum Weg und sammelten im Wald eine schöne Pilzmahlzeit.
Wer etwas zum Erhalt des Biotops beitragen möchte, ist herzlich willkommen!
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